Corona Rebellen
Zauri Matikashvili
Themen
Zauri Matikashvili
›Corona Rebellen‹
Film, 2020
48:30 min.
Seit dem Frühjahr 2020 meditieren in vielen deutschen Städten jede Woche „Corona-Rebellen“. Sie protestieren damit gegen die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie. Auf ihren Kundgebungen sind nicht nur Esoteriker*innen und Anhänger*innen von Jesus, Gandhi oder Mandela zu sehen, sondern auch Verschwörungsideolog*innen und Rechtsextremist*innen. Die Reichskriegsflagge weht neben der Regenbogenfahne, Hippies in farbenprächtigen Gewändern tanzen barfuß neben schwarzgekleideten Neonazis.
Im August kommen viele tausend Demonstrant*innen in Berlin zusammen. Was bedeutet ihnen die Sorge ums Selbst, Freiheit und soziale Verantwortung? Was eint sie, was treibt sie an, wie organisieren sie sich? Mit wem verbünden sie sich? Wie stehen sie zur Demokratie? Und welche Rolle spielen QAnon und die Reichsbürger*innen, die vor den russischen und amerikanischen Botschaften einen „Friedensvertrag“ fordern?
Der Filmemacher Zauri Matikashvili begleitete die Demonstrationen und sprach mit den Teilnehmer*innen. Was treibt sie an?
Der Dokumentarfilm wurde im Rahmen des ATELIER No. 64 am 21.11.2020 um 20 Uhr gestreamt.
Interview mit Zauri Matikashvili
In deinem Dokumentarfilm „Corona Rebellen“ zeigst du Filmmaterial von Demonstrationen in Berlin, Düsseldorf, Dortmund und Münster aus dem gerade vergangenen Sommer. Auf der einen Seite sind Rebellen aufständische Personen, auf der anderen Seite klingt im Rebell auch etwas Kindisch-Trotziges mit, das man auch getrost ignorieren kann. Wie hast du persönlich die Demonstrant*innen erlebt?
Das Spannende – und Verwirrende – ist die Vielfalt. Da kommen friedensbewegte Gandhi-Fans, barfuß tanzenden Hippies, Esoteriker*innen, religiöse Fanatiker*innen, wütende Bürger*innen und Neonazis zusammen. Entsprechend unterschiedlich waren meine Erfahrungen. Ich bin sehr freundlichen und sehr aggressiven Menschen begegnet. Erstaunlicherweise haben aber auch Leute mit extremen Ansichten sehr offen und vertrauensvoll mit mir gesprochen. Der Titel des Films lehnt sich an die Selbstbezeichnung einer in Düsseldorf gegründeten Gruppe an, die mit ihren Plakaten bundesweit auf Demos zu sehen war.
In den Medien nehmen die „Anti-Corona-Demos“ einen großen Platz in der Berichterstattung ein. Im Gegensatz zu journalistischen Beiträgen arrangiert deine Dokumentation die Ereignisse filmisch, aber kommentiert sie nicht sprachlich. Wo liegen für dich die Potenziale in der filmischen Dokumentation?
Mit Journalist*innen hätten die meisten Protestierenden gar nicht so offen gesprochen, denn die verschiedensten Gruppen teilen das Feindbild „Systemmedien“. Die künstlerische Herangehensweise ermöglicht es mir, die Menschen lange reden zu lassen und das Geschehen ausgiebig zu beobachten. Ich muss nicht objektiv berichten, ich darf von meinen persönlichen Interessen ausgehen. Und ich möchte zum Nachdenken anregen: Wie entwickeln sich Bewegungen und Ideologien? Warum radikalisieren sich Menschen? Mit welchen Werten argumentieren sie, und ist das aufrichtig? Woher kommt der Hass?
Mit der Demonstration in Leipzig der sogenannten „Querdenken“-Initiative am 7. November hat sich die mediale Aufmerksamkeit noch einmal bundesweit verstärkt. Wie verändert der Fortgang der Bewegung deinen persönlichen Blick auf den Dokumentarfilm?
Mich überrascht überhaupt nicht, was in Leipzig passiert ist. Die Radikalisierung habe ich auch schon in den Monaten zuvor beobachtet. Durch den zweiten Lockdown erhalten radikale Gruppen neuen Zulauf – auf jeden Fall hatte ich den Eindruck beim Lesen von verschiedenen Telegram-Chats. Aber die Protagonistin*innen der Bewegung und die Mechanismen der Ideologien bleiben dieselben.
Geboren und aufgewachsen im georgischen Kvareli, lebt Zauri Matikashvili seit dem 12. September 2003, 9.53 Uhr, in Deutschland. Er hat in Münster und Düsseldorf Freie Kunst studiert. In seinen Filmen und Performances fragt er danach, was Identität und Migration bedeuten und wie Gesellschaften im Detail funktionieren – oder auch nicht.