Emilia Sanabria
›Fluid Drugs, Plastic Bodies‹
Die Moleküle, aus denen Drogen und Pharmazeutika bestehen, wurden nicht etwa entdeckt, sondern zu diesem Zweck hergestellt oder wiederhergestellt. Sie entwickeln sich als fluide Stoffe ständig weiter und passen sich ihrer Umgebung an. In Laboren extrahieren, isolieren und modifizieren Wissenschaftler*innen diese fluiden Stoffe. Doch entfalten sie ihre spätere Wirkung nicht in kontrollierten Laboreinrichtungen, sondern vielmehr in lebendigen Körpern, bevor sie zurück in die Umwelt gelangen. In ihrem Vortrag argumentiert Emilia Sanabria, dass Medikamentenkonsum gemeinsam mit dem Strom von Substanzen in die Umwelt und durch menschliche und tierische Körper — die eben nicht mit der Hautoberfläche enden — gedacht werden muss. Sämtliche Pharmazeutika dringen in die Außenwelt: der Darm, die Lunge, die Haut und der Stoffwechsel werden zu Austauschzonen zwischen dem Körper und seiner — von Regularien, Postkolonialismus und Chemie geprägten — Umgebung. Im Vortrag illustriert Sanabria ihre These über Hormone als Objekte des Austauschs und des Wissenstransfers mit Fallbeispielen von sexuellen und reproduktiven Praktiken in Brasilien und spricht über globale Bedenken in Bezug auf Störungen des endokrinen Systems.
Kaushik Sunder Rajan
›Zur Frage des Wertes im Bereich Biomedizin‹
Wie definiert sich Wert im Bereich der Biotechnologie? Kaushik Sunder Rajan ist Professor für Anthropologie und stellvertretender Leiter des Chicago Center for Contemporary Theory an der University of Chicago. Seine aktuelle Forschung umfasst die globalen Verflechtungen und Veränderungen in den Biotech- und Pharmaindustrien, die er mit dem Begriff ›Biokapital‹ beschreibt. So schildert Sunder Rajan, ausgehend von einer empirischen Auseinandersetzung mit den Biowissenschaften (Life Sciences) und der Biomedizin, wie sich diese seit dem späten 20. Jahrhundert zunehmend an kapitalistische und unternehmerische Produktionsweisen angepasst haben. Aufbauend auf dieser These legt er eine Neukonzeptualisierung des Wertbegriffes vor und greift dabei auf den Marx’-schen Begriff der »Wertform« als konstitutiv für die Dynamik des Kapitals zurück. So wird im Vortrag sowohl über den Wert des Biokapitals reflektiert als auch eine Methodik zur Analyse desselbigen vorgestellt. Sunder Rajan argumentiert, dass sich eine Politik, die sich zu Kapital (und dem Biokapital) verhalten will, kontinuierlich den Problemen der Verschmelzungen, Widersprüche und Antinomien, die sich in der mehrdeutigen Natur des Wertes darlegen, stellen muss.