neverstopscrollingbaby.com
Alessandra Ferreri, Joshua Vanhaverbeke, Matteo Sedda / Vitamina

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https://www.neverstopscrollingbaby.com

›https://www.neverstopscrollingbaby.com‹ ist eine digitale Performance, die gegenwärtige Codes der sozialen Medien aufgreift, um die Narration einer Choreographie zu entwickeln und somit neue Formen der künstlerischen Darstellung angesichts der aktuellen Herausforderungen zu erforschen. Das Projekt ist eine Adaption der work-in-progress Soloperformance ›Never Stop Scrolling Baby‹, die sich mit dem unendlichen Akt des Scrollens befasst und uns mit der rasanten Geschwindigkeit der heutigen Zeit konfrontiert, in der jede*r permanent einer Pornographie an Informationen ausgesetzt ist. In ihrer Performance stellen sich Vitamina diesem nicht zu befriedigenden Drang, der eine*n an den Bildschirm fesselt, ausgelöst durch Reize visueller Gewalt, Mitteilungen und Nachrichtentöne. Wie moderne Gladiatoren in einer Ära, in der die Konzentration eines Goldfisches größer ist als die des Menschen, und in welcher Identität in unzählige bunte Bruchstücke von Content fragmentiert wird, die der Algorithmus der sozialen Medien vorschlägt.

Digitale Performance: 'https://www.neverstopscrollingbaby.com'
Konzept: Joshua Vanhaverbeke
Choreographie: Alessandra Ferreri, Matteo Sedda
Performance: Matteo Sedda
Sounddesign: Joshua Vanhaverbeke
Aufnahme, Bearbeitung: Joshua Vanhaverbeke, Paolo Ferreri
Webdesign: Paolo Ferreri
Künstlerische Koordination: Alessandra Ferreri

Support: PACT Zollverein (DE), CC Bruegel, Bruxelles (BE)
 

Die Arbeit war während des ATELIER No. 64 vom 20 - 22.11.2020 verfügbar.

Interview mit Alessandra Ferreri, Joshua Vanhaverbeke, Matteo Sedda / Vitamina

Für die Online Edition des Atelier No. 64 habt ihr eine Live Performance in eine webbasierte Präsentation übertragen. Wir verändert sich für euch als Choreograph*innen und Tänzer*innen das Bewegungsmaterial in der digitalen Übersetzung?

Für uns hat sich nicht viel geändert, da wir die Choreographie sehr dicht an der ursprünglichen Version gehalten haben. Was sich geändert hat, ist die Erzählung und die Art und Weise, wie wir diese Bewegungen kommunizieren. Unser Hauptanliegen war es, eine neue Art von Sprache zu entwickeln, die sich völlig von dem uns Gewohnten unterscheidet. Wir gingen durch alle Sequenzen der Choreographie und erstellten ein für das digitale Format passendes Storyboard. Wir konzentrierten uns insbesondere auf sich überschneidende Perspektiven und das Fokussieren von Details, was wir in einer Live-Performance niemals erfahren könnten, genauso wie die erzeugten Verbindungen in der Montage verschiedener Bildrahmen.

 

Ausgangspunkt für die Choreographie zu ›Never Stop Scrolling Baby‹ ist der Moment des niemals endenden interaktiven Wischens über den Touchscreen. Ist dieses Phänomen für euch ein frustrierendes oder ein befriedigendes?

Es ist für uns sehr faszinierend, dass diese einfache Idee es geschafft hat, das Leben von Milliarden von Benutzer*innen zu verändern. Beim Scrollen hat man das Gefühl, dass es immer eine Masse von Dingen zu entdecken gibt, zahlreiche Artikel zu lesen, es ist ein Abenteuer. Unser Gehirn ist buchstäblich darauf ausgelegt, sich vom Unbekannten angezogen zu fühlen – eine endlose Schriftrolle neuer Inhalte ist ein unwiderstehlicher Anreiz für einen neuen Schuss Dopamin. Natürlich gibt es einen hohen Preis dafür zahlen, wir sehen es wie einen Spielautomaten, einen Ort, an dem sich Menschen unversehens verlieren können. Es ist wichtig sich dessen bewusst und aufmerksam zu sein.

 

Was verpassen die Zuschauer*innen in der Webversion, das sie beim Besuch der live Performance erlebt hätten?

Was der Webversion fehlt, ist der immersive Effekt, in den die Zuschauer*innen eingebunden sind. Bei unserem digitalen Experiment kann das Publikum wie bei einem echten kommerziellen Produkt wählen, wie es durch die Erfahrung navigieren möchte. Im Theater ist das Publikum gefordert extrem aufmerksam zu sein. Wir experimentieren mit additiven Formen und versuchen Prinzipien zu verstehen, die durch die Choreographie, den Ton und das Licht hypnotische Effekte erzeugen. All dies ist in der digitalen Version nicht sichtbar, die für sich dennoch ein sehr interessantes Experiment ist.

Vitamina ist ein von Alessandra Ferreri, Joshua Vanhaverbeke und Matteo Sedda gegründetes Kunstprojekt, welches sich sich auf die hybride Sprache von Tanz, Bildender Kunst und Performance fokussiert. Vitamina ist besonders fasziniert von den Brüchen und Verzerrungen im System, die dazu Anlass geben, grundlegende menschliche Gegebenheiten in Frage zu stellen.

VIMEO: https://vimeo.com/collettivovitamina
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